Rachitisprojekt in Nongstoin

Abgeschlossen
2020
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Seit einigen Jahren versuchen wir mit Hilfe der Ärzte die Rachitis zu bekämpfen. Shillong ist ein Gebiet, wo Menschen in menschenunwürdigen Behausungen leben, dort sind Kälte und Feuchtigkeit ein guter Nährboden für Rachitis. Rachitis ist eine Störung des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels, bedingt durch einen Vitamin D Mangel.

Die "Englische Krankheit", besser bekannt als Rachitis, ist auf eine Störung des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels, bedingt durch einen Vitamin D Mangel, zurückzuführen. Falsche Ernährung und Unterernährung rufen ebenso diese Krankheit hervor. Ihr Name beruht auf der erstmaligen Entdeckung Mitte des 16. Jahrhunderts in Großbritannien.
Auch bei uns gab es diese Krankheit noch während des Zweiten Weltkrieges. Gott sei Dank ist die Krankheit bei uns nun ausgelöscht.
(Auszug aus dem INT)
Verbreitet war die sogenannte "Englische Krankheit" im Zeitalter der Industriellen Revolution allerdings in ganz Europa, die Leidtragenden waren in erster Linie Kinder. Von Hunger und Arbeitslosigkeit in die rasch wachsenden Indust-riestädte getrieben, erhoffte sich die arme Landbevölkerung dort eine Verbesserung ihrer miserablen Lebensumstände. Ihre Kinder, die in der schornsteinverpesteten Luft der Städte aufwuchsen und später als Gruben- oder Fabrikarbeiter nahezu rund um die Uhr ausgebeutet wurden, bekamen kein oder nur wenig Tages- bzw. Sonnenlicht zu Gesicht. Als Folge davon und zudem begünstigt durch die Dauermangelernährung, war ihr Organismus nicht dazu in der Lage, das lebensnotwendige Vitamin D, dessen Vorstufe der Körper selbst synthetisieren kann und das durch UV-Strahlung aktiviert wird, zu bilden. Da nur mit Hilfe dieses Vitamins u.a. das im Kindesalter wachstumswichtige Kalzium gelöst und in die Knochen transportiert werden kann, war das optische Krankheitsbild symptomatisch: Knochenerweichung, auch des Schädelknochens, Hühnerbrust, O- oder X-Beine und allgemein schwere Wachstumsstörungen. Dieser akute Kalziummangel führte nicht selten zum Tod.

Rachitisprophylaxe
Eine Rachitisprophylaxe gehört heute selbstverständlich in die medizinische Säuglingsversorgung. Da die Muttermilch möglicherweise nicht genügend Vitamin D3 enthält, müssen Babys oft ab der zweiten Lebenswoche bis zum ersten Jahr zusätzliche und ärztlich kontrollierte Vitamin D Gaben, meist in Form von Tröpfchen, bekommen.
Shillong liegt circa auf 1700 Metern Meereshöhe. Ein sehr karges Gebiet. In nahezu menschenunwürdigen Behausungen leben die Menschen dort. Die meisten ohne Strom und ohne Heizung. In den Wintermonaten ist es oft auch sehr kalt. Natürlich gibt es in den Wintermonaten nicht Temperaturen wie bei uns, aber bei null Grad ohne Heizung zu leben ist sehr unangenehm. Wenig Sonne, Kälte und die Feuchtigkeit sind ein guter Nährboden für Rachitis.
Seit 4 Jahren bereise ich dieses Gebiet. Ich habe gleich erkannt, dass wir bei diesem Projekt von vorne beginnen müssen, sonst haben wir keine Chance gegen diese Krankheit anzukämpfen. Seit mehreren Jahren „tüfteln“ wir auch gemeinsam mit Sister Magdalena ein Projekt zur Bekämpfung von Rachitis aus. Sie ist ca. 100 km von Shillong entfernt und lebt in Nongstoin. Das erreicht man über Stock und Stein auf einer Straße, wo es empfehlenswert ist, vorher nicht viel im Magen zu haben, damit man die Fahrt besser übersteht. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man 100 km sagt, das geht für uns doch im Handumdrehen, dort wo die Uhren etwas anders laufen, eben nicht. Es ist eine halbe Tagestour bis zu Nongstoin. Ich habe immer wieder den Gedanken geäußert, damit wir etwas bewegen können, müssen wir die Bevölkerung mit einbeziehen, sonst schaffen wir das nicht.
Besonders die Frauen spielen in dieser Region eine große Rolle, sie sind das Oberhaupt in der Familie. Die Bevölkerung nennt man Kassi. Es sind meist die Frauen, die schwere Arbeiten verrichten müssen, um die Familie zu ernähren, Holz und Wasser schleppen, Steine klopfen und vieles mehr. Daher haben wir auch das Projekt in Nongstoin mit den Frauen begonnen. In einigen Dörfern haben wir uns voriges Jahr mit der Bevölkerung getroffen, Ärzte und Kranken-pfleger waren auch dabei. Gemeinsam mit den Einwohnern haben wir die Punkte ausgearbeitet, über die sie informiert werden wollen und müssen. So hatten wir bis voriges Jahr ca. 20 Kassi-Frauen, die wir als Ernährungsberaterin-nen ausgebildet haben. Diese Frauen sind dann von Haus zu Haus marschiert und haben die eigenen Leute unterrichtet. Über Hygiene, Gartenanbau, Er-nährung der Mütter und Kinder, Aids, aber auch über zu frühe Hochzeiten er-halten sie Informationen und Anweisungen.
Was mich immer wieder sehr beeindruckt, ist, dass die Bevölkerung bereit ist mitzuarbeiten, die Menschen wollen lernen und nehmen die Hilfe auch gerne an. Ich habe schon erwähnt, dass wir 2 Jahre mit Sister Magdalena an einem Projekt gearbeitet haben. Nun ist es so weit: Als ich im Februar 2008 dort war, wurde mir ein gut ausgearbeitetes Projekt vorgestellt, und das nun für 2 Jahre. Mehrere Frauen haben sich zu Self-Help-Groups zusammengeschlossen. Diese werden von Ärzten und Krankenschwestern ausgebildet. Derzeit haben wir 4 große Gebiete. Und jedes Gebiet besteht aus circa 20 bis 40 kleinen Dörfern. In jedem Dorf leben wiederum etwa 40 bis 50 Bewohner. Das heißt, nun wurde ein Netzwerk aufgebaut.
Für jedes Gebiet sind mehrere Self Help Groups zuständig. So haben wir z.B. in einem Dorf 17 Gruppen und jede Gruppe besteht aus 12 Frauen. Mehr als 4.000 Personen sind nun beteiligt, die wertvolles Wissen über Rachitis erhalten. Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Jahren etwas bewegen und verändern können. Denn wenn die Einheimischen selbst verstehen lernen, worum es geht, dann wird dieses Projekt Früchte tragen.

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